Von Udo Döring / DE
GROSS-BIEBERAU. „Wenn ich etwas schneller die Treppe hochgehe, fühle ich mich, als ob ich keine Kraft mehr hätte“. Das sagt einer, der als pfeilschneller Außenspieler auf dem Handballfeld bekannt ist. Bei Robin Büttner ist derzeit aber nicht einmal an dosiertes Training zu denken. Schuld ist der kleine Virus, der die Welt in Atem hält und ihn schneller als gewohnt außer Atem bringt. „Wir haben wirklich alle Regeln eingehalten, die man einhalten kann, und dann tritt gleich im ersten Saisonspiel der worst Case ein“, sagt Büttner, der den „schlimmsten Fall“ mit dem Drittligisten HSG Bieberau/Modau erlebte.
Dort stieg Trainer Thorsten Schmid schon viel später als erlaubt in gemeinsame Trainingseinheiten ein und achtete akribisch auf allen Regeln, um Corona von der Mannschaft fernzuhalten. Und doch war das Virus auf einmal mittendrin. 21 positive Fälle – dieses Ergebnis des Spiels gegen den TV Leichlingen machte das sportliche Resultat (30:31) schnell vergessen. Robin Büttner erinnert sich gut an den Mittwoch vier Tage nach dem Spiel. „Wir bekamen die Meldung von einem Spieler des Gegners, dass der Trainer positiv getestet wurde und mehrere Spieler flach liegen. Am Abend spürte ich dann erste Symptome“. Kopfschmerzen, Husten, Schlappheit.
Am Donnerstag wurden alle HSG-Spieler von Mannschaftsarzt Sebastian Schellhaas getestet, am Freitag lagen die Ergebnisse vor. „Das war schon ein mulmiges Gefühl, weil man auf der einen Seite nicht weiß, wie es weitergeht und auf der anderen Seite auch weiß, wie es ausgehen kann“, blickt Büttner zurück. Die Symptome blieben erträglich und schwächten sich nach fünf Tagen wieder ab. Aber: Geruchs- und Geschmackssinn blieben weg. „Du wachst jeden Morgen auf und hoffst erst einmal, wieder was schmecken zu können“. Darauf musste der 24 Jahre alte Handballer fast drei Wochen warten.
Dass es ihn nicht nur damit schlimmer als seine Mitspieler erwischt hatte, belegte ein sportmedizinischer Test nach der zweiwöchigen Quarantäne. „Alle Werte waren in Ordnung, nur bei einem war die Untersuchung der Lunge auffällig“, erklärt Schellhaas. Auch sechs Wochen nach dem verhängnisvollen Spiel ist Büttner noch weit weg vom gewohnten Gesundheits- und Wohlfühllevel. Die Untersuchung eines Lungenspezialisten ergab, dass enger zusammengerückte Bronchien die Ursache sein können. Eine wahrscheinliche Folge der Infektion, denn „vor Corona hatte ich nie Atemprobleme“.
Die Mannschaft hat sich laut Schellhaas diszipliniert an die Anordnungen gehalten. Im Fall von Robin Büttner heißt das: seit sechs Wochen kein Sport. Ein hartes Los für einen Hochleistungsathleten, der zuvor fünf Mal die Woche in der Halle war. „Ich hab zwar öfter mal das Training besucht, konnte aber nur auf der Bank sitzen und zugucken. Das war echt Kacke“. Da er aber nicht nur Handballer ist, gab es noch ein anderes Problem: die Arbeitsstelle, die er eine Woche zuvor angetreten hatte.
Büttner hatte dabei ebenso das Glück eines verständnisvollen Arbeitgebers wie Till Buschmann, der im Sommer sein Architektur-Studium abschloss. „Trotzdem war es sehr unangenehm, alle Kollegen zu informieren und einen Teil davon in Quarantäne zu schicken“, berichtet der Kapitän, dessen milde Symptome recht schnell wieder verschwanden. „Allerdings war ich sehr schlapp und es hat gut zehn Tage gedauert, bis mein Kreislauf mal wieder bei hundert Prozent war.“ Entsprechend fiel der Sportverzicht während der Quarantäne leicht. Wieder genesen fehlt der seit vielen Jahren gewohnte Rhythmus umso mehr. Das gemeinsame Training ist bis 1. Dezember, der Spielbetrieb bis 9. Januar ausgesetzt.
Buschmann hofft, dass dieser Zeitplan funktioniert: „Schließlich haben wir fast vier Monate Vorbereitung für ein einziges Rundenspiel absolviert. Im Endeffekt betreiben wir den Aufwand ja nicht für schnelle Runden auf der Tartanbahn, sondern für Derbys mit viel Emotion in vollen Hallen.“ Deswegen hadert der HSG-Kapitän auch nicht, man hätte auf den Saisonstart besser verzichten sollen. Den Modus kritisiert er gleichwohl. „Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man die Drittliga-Saison nur mit vier Staffeln beginnen konnte. Zusätzlich wurde mit zwei bis drei Mannschaften mehr in jeder Staffel und einem vier Wochen späteren Beginn ein enormes Pensum von den Spielern gefordert. Eine Aufteilung in sechs bis acht Staffeln hätte ich hier für angebrachter gehalten.“
Wie Robin Büttner hat auch Buschmann keine Angst vor der Rückkehr in das körperintensive Spiel, das womöglich auch Schuld an der Ansteckung trägt. Um eine Wiederholung zu vermeiden, fordert er allerdings: „Um den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, müssen Tests vor den Spielen eingeführt werden.“
ÄRZTE EMPFEHLEN LANGE SPORTPAUSEN NACH CORONA-INFEKTION
Noch gibt es keine verlässlichen Untersuchungen zu möglichen Langzeitverläufen einer Corona-Infektion und möglicher Folgen für Leistungssportler. In einem auch vom Deutschen Olympischen Sportbund gestützten Positionspapier „Return to play“ haben Sportmediziner in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin aber klare Empfehlungen veröffentlicht.
Auch wenn keine Symptome auftreten, sollten Sportler nach einem positiven Covid-19-Test eine mindestens zweiwöchige Sportpause einlegen. Bei Symptomen wie Husten oder Fieber sollte zwei bis eher vier Wochen, bei einer Lungenentzündung sollte mindestens vier Wochen lang auf Sport verzichtet werden.
Tritt gar eine Herzmuskelentzündung auf, verlängert sich die Sportpause auf mindestens drei Monate. Hierzu gibt es den traurigen Fall des Profi-Basketballers Michael Ojo (früher auch Alba Berlin), der nach Corona-Infektion mit Lungenbefall bald wieder ins Training einstieg. Dort erlitt der 27-Jährige einen Herzinfarkt und starb.
Auf jeden Fall sollten sich Leistungssportler nach Ende von Quarantäne oder Erkrankung sportmedizinisch untersuchen lassen, um die volle Belastbarkeit zu prüfen.